Juli

Pflanze des Monats Juli 2013 – Stechapfel

Botanischer Name: Datura

Deutscher Name: Stechapfel

Pflanzenfamilie: Solanaceae (Nachtschattengewächse)

Heimat/Geschichte:
Der Stechapfel (Gattungsname Datura) gehört zur Familie der Nachtschattengewächse oder Solanaceae. Der deutsche Name Stechapfel bezieht sich auf die stark bewehrte Kapsel.
Der lateinische Gattungsname Datura ist eine von LINNÉ vorgenommene Latinisierung des sanskritischen Wortes „dhatura“. In frühen sanskritischen Schriften wird bereits Datura metel erwähnt. Die vom arabischen Arzt AVICENNA im 11. Jahrhundert unter dem Namen „jouzmathal“ («Metel-Nuß») beschriebene Pflanze war zweifellos mit dieser Art identisch. Der Artname der in Mitteleuropa heimischen Art Datura stramonium L. stammt wohl auch aus dem Indischen, dort bedeutet „stramonium“ sinngemäß „Gift, das rasend macht“.

Botanik:
Die Gattung Datura zählt etwa 20 bis 23 Arten, die in der gemäßigten und heißen Zone verbreitet sind, Zentren sind Südamerika und der indische Subkontinent. In Mitteleuropa kommt nur eine Art wild vor, Datura stramonium L. Diese Art ist im 16. oder 17. Jahrhundert in Mitteleuropa eingewandert. Man nimmt an, daß sie aus dem Osten Amerikas stammt, wo die Pflanze von den Algonkin und anderen Stämmen als Halluzinogen bei ihren Zeremonien benutzt wurde. Sie wird noch nicht bei allen berühmten Verfassern von Kräuterbüchern wie BOCK, FUCHS oder LONITZER erwähnt, es handelt sich also um einen klassischen Neophyten.
Der Stechapfel ist mit einer langen Pfahlwurzel im Boden verankert. Das einjährige Kraut wird etwa 1,20 m bis 1,50 m hoch, wobei sich die Äste meist gabelig verzweigen und waagerecht ausbreiten. So bekommen die großen, gestielten, eiförmig-zugespitzten und grob buchtig-gezähnten, kahlen Laubblätter die optimale Lichtausbeute. Vor allem in den Astgabeln entstehen die leicht nach unten geneigten, einzelnen, langröhrigen, weißen, fünfzipfligen, gefalteten Blüten. Als Frucht entwickelt sich eine große aufrecht stehende, bestachelte, im reifen Zustand braun werdende Kapsel, die mit vier Klappen aufspringt und eine Menge fast schwarzer Samen mit wabenartig strukturierter Oberfläche enthält.
Dem gewöhnlichen Stechapfel in der Form und Größe sehr ähnlich ist Datura tatula L. (= D. stramonium L. var. chalybaea KOCH). Diese Art hat eine hellblaue bis blaßviolette Blütenkrone, außerdem ist der Stengel violett und die Blattstiele, -nerven und – ränder sind purpurviolett. Zuweilen trifft man sie mit der weißblühenden Art an, generell ist sie in Mitteleuropa seltener, im Mittelmeerraum kommt man diese Varietät wohl häufiger vor.
Zu den kleinwüchsigen Arten, die bei uns hin und wieder adventiv angetroffen werden, besonders auf Schuttplätzen und in Verladeanlagen von Häfen und Bahnhöfen, gehören D. ferox L. mit herzförmigen, flaumig behaarten Blättern und großen Kapseln mit wenigen sehr großen Stacheln, D. metel L. mit weißen Blüten und ganzrandigen Blättern und D. innoxia MILL. mit einer gleichmäßig runden Kapsel, deren Stacheln ebenfalls sehr gleichmäßig angeordnet sind.
Häufige Zierpflanzen aus der Gattung Datura stammen gewöhnlich aus Südamerika, es sind Bäume oder Sträucher mit verholzten Stengeln bis Stämmen und hängenden, oft stark duftenden Blüten. Aus Chile und Peru stammt D. arborea L. mit prächtigen, bis
25 cm langen hängenden, zuweilen gefüllten Blüten, die oft in Kübeln gezogen wird. Die Blüten, die sich erst in den Abendstunden richtig öffnen, werden in ihrer Heimat von Vögeln, speziell Kolibris, bestäubt.
Ebenfalls strauchig und weiß blühend, wobei die Blütenzipfel lang ausgezogen sind, ist D. suaveolens HUMB. & BONPL. Die geruchlose Blüte von D. sanguinea RUIZ & PAV. hat 15 hervortretende Längsrippen; am Schlund ist sie rot, bis etwa zur Mitte gelblich.
Die Trichterblüten des Stechapfels öffnen sich abends und sondern einen unangenehmen, moschusartigen Geruch aus, der langrüsslige Nachtfalter, besonders Schwärmer, zur Bestäubung anlockt. Am nächsten Tag verwelken die Blüten schnell. Ist keine Fremdbestäubung erfolgt, so findet beim Schließen der Blüte eine Selbstbestäubung statt, da Staubbeutel und Narbe in gleicher Höhe stehen.
Der Stechapfel tritt im Gefolge menschlicher Siedlungen auf und ist ein Stickstoffzeiger. Er kommt auf Kompostanlagen, an Bahndämmen, auf Schuttplätzen, in Kläranlagen und auf ortsnahem Ödland vor. Am Rhein ist er häufig in den Uferbefestigungen anzutreffen (am „Grind“, einem Rheinuferstreifen bei Neuss mit einer reichhaltigen Adventivflora, ist er einer der häufigsten Vertreter sowohl in der weißen als auch in der blauen Varietät), grundsätzlich jedoch muss er als selten angesehen werden.

Inhaltsstoffe und Verwendung:
Alle Nachtschattengewächse enthalten mehr oder weniger starke Gifte in Form von Alkaloiden oder Glykosiden. Wie die Tollkirsche und das Bilsenkraut enthält der Stechapfel in allen Teilen der Pflanze Tropanalkaloide, wobei die Konzentration in den Samen am größten ist. Die Zusammensetzung des Alkaloidgemisches schwankt je nach Alter und Art ganz erheblich, das wichtigste Alkaloid ist das Scopolamin. Vergiftungen sind allerdings selten, da die Pflanze nicht zum Verzehr reizt. Die meisten Intoxikationen entstehen durch mißbräuchliche Anwendung einzelner Pflanzenteile als Mord- und Rauschmittel. In Indien sind die Samen ein beliebtes Mordgift. So benutzen Kriminelle oft Aufgüsse der Samen, um damit Reisende zu betäuben und auf diese Weise Raub und Diebstahl in Eisenbahnen zu erleichtern.
Die Symptome von Stechapfel-Vergiftungen gleichen denen der Tollkirsche, allerdings können Pulsbeschleunigung und Rötung des Gesichts fehlen. Wegen des zum Teil höheren Scopolamin-Gehalts treten zentralsedierende und vor allem halluzinogene Reaktionen in den Vordergrund.
So wird von einem Patienten berichtet, der sich angeregt mit einem Mann unterhielt, der nur ihm sichtbar war, und er fühlte sich verfolgt von schwarzen und roten, kniehohen Spinnen. – Ein anderer Patient berichtete, er habe Schwierigkeiten, mit seinem Motorrad die weißen Streifen auf der Straße zu überwinden. Sie würden fortwährend aufspringen und sich um seine Beine schlagen.
Diese Halluzinationen treten in der Regel 2-4 Stunden nach Einnahme des Giftes auf und können sich über mehrere Tage fortsetzen. Der gelegentlich beobachtete Drang, sich zu entkleiden und offene Gewässer aufzusuchen, dürfte eine Folge der Hyperthermie sein.
Beide Personen begaben sich wiederholt in den Swimming-pool auf der Suche nach rotäugigen Delphinen. Zwei 15 – jährige Jungen wurden nackt über die Felder wandernd und im Fieberwahn phantasierend von der Polizei aufgegriffen. Sie hatten beide 5 – 6 Blüten von Datura suaveolens gegessen.
In Mexiko und im südwestlichen Amerika sind Datura innoxia MILL. und verwandte Arten lange als Halluzinogen benutzt worden und haben in der Eingeborenenheilkunde und in magisch -religiösen Riten – besonders bei der Initiation, also den Riten zur Aufnahme Jugendlicher in den Erwachsenenkreis – eine wichtige Rolle gespielt. In Virginia lebende Indianer gebrauchten eine giftige Droge in einem solchen Initiationsritual: Jünglinge wurden für längere Zeit eingesperrt und erhielten keine andere Substanz als einen aus giftigen berauschenden Wurzeln gewonnenen Aufguß oder Absud. Während dieser Bewährungsprobe legen sie ihr früheres Leben ab und verlieren so mit dem Eintritt in das mannbare Alter jede Erinnerung an die Kindheit. Auch die Chinesen kannten bereits die betäubenden Eigenschaften und verwendeten Stechapfelextrakte als Anästhetikum. In Indien nannte man die Pflanze den Busch Schiwas, des Gottes der Zerstörung. Viele Buddha-Darstellungen zeigen den Gott unter einem Baldachin von Datura-Blüten. Im alten Griechenland verhalf wahrscheinlich Datura stramonium den apollinischen Priestern zu ihrem Trancezustand, in dem sie ihre Prophezeiungen machten.
Stechapfel-Zubereitungen wurden in Europa seit dem 16. Jahrhundert vielfach als Rauschmittel, besonders in Form von Liebestränken und den berühmt-berüchtigten Hexensalben, benutzt. Auch Pferdehändler wussten früh um die verkaufsfördernde
Wirkung dieser Pflanze: „Seibst die elendigste Schindmähre soll feurig wie ein Vollblüter werden, wenn man ihr ein paar zusammengerollte Blätter in den Mastdarm steckt“. Arzneiliche Verwendung fanden die getrockneten Blätter als Asthmazigaretten und
-räuchermittel. Heute sind Stechapfel-Zubereitungen nur noch in der Homöopathie zu finden.

Standort/Pflege:
Wie aus den Standortangaben hervorgeht, benötigen die Datura-Arten helle Standorte, die gut durchlüftet sind und einen hohen Stickstoffgehalt aufweisen, also gut gedüngt werden, sowie viel Wasser und Raum. Die Keimung aus Samen ist sehr ergiebig und erfolgversprechend, allerdings kann eine Keimung erst im 2. Jahr erfolgen.
Die großblütigen baumförmigen Zierarten sollten im Sommer an warmer geschützter Stelle in Kübeln im Freien gehalten werden und im Kalthaus überwintern, da sie nicht winterhart sind. Wenn sie dort temperiert und hell stehen, dann setzt der Flor kaum aus. Im Sommer gedeihen sie besonders gut, wenn sie in nährstoffreiche Böden ausgepflanzt und dann ausgiebig gewässert und regelmäßig gedüngt werden. Vermehrt werden diese Arten durch Stecklinge.

Text :  Wolf  Stieglitz, in Teilen verändert Dirk Derhof

Fotos:  Manfred Brusten

Quellenangabe:
http://www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale/stechap2.html

http://giftnotruf.de/brugsman.htm